Freispiel-Impulse Schreibwerkstatt

Auf in die Welt der Schrift(en)! Überall lassen sich im Alltag Buchstaben entdecken. Kein Wunder, dass Kinder schon früh Interesse entwickeln an der Welt der Worte und der Schrift. Fachleute sind sich inzwischen darin einig, dass es bereits vorm Schulbesuch Sinn macht, an diese Erfahrungen und Interessen der Kinder anzuknüpfen. Dieses Buch bietet eine Vielfalt an Zugängen rund um Schrift und Sprache z. B. Spielangebote, Experimente mit Schrift, Kommunikationsmöglichkeiten, Möglichkeiten des Erzählens anzuregen. Erklärende Fotos erleichtern die Umsetzung in der Praxis.

Kreative Spielimpulse mit Buchstaben, Zeichen und Co!

Auf in die Welt der Schrift(en)! Überall lassen sich im Alltag Buchstaben entdecken. Kein Wunder, dass Kinder schon früh Interesse entwickeln an der Welt der Worte und der Schrift. Fachleute sind sich inzwischen darin einig, dass es bereits vorm Schulbesuch Sinn macht, an diese Erfahrungen und Interessen der Kinder anzuknüpfen. Dieses Buch bietet eine Vielfalt an Zugängen rund um Schrift und Sprache z. B. Spielangebote, Experimente mit Schrift, Kommunikationsmöglichkeiten, Möglichkeiten des Erzählens anzuregen. Erklärende Fotos erleichtern die Umsetzung in der Praxis.

Freispiel-Impulse Schreibwerkstatt – Hier kaufen

von Michael Fink
Verlag Herder
1. Auflage 2024
Geheftet
64 Seiten
ISBN: 978-3-451-39232-0
EUR 15,00 €

Leseprobe:

Lasst Kinder die Schrift erobern!

Im klassischen deutschen Bildungssystem war die Sache mit der Schrift klar geregelt. Lesen und Schreiben lernte man ab dem ersten Tag in der Grundschule. Bis dahin galt für das Kind: „Für die Beschäftigung mit Schrift bist du noch zu klein, außerdem fehlen dir im Kindergarten die hochqualifizierten Expertinnen, die dir diese komplizierte Kulturtechnik vermitteln könnten. Warte mal ab, bis du zu den Profis kommst – und spiele so lange oder trainiere als Vorbereitung Stifthaltung und Zuhören.“

Diese Haltung zum Schreiben ist in unserem Bildungssystem so tief verankert,


dass wir uns der Absurdität dahinter kaum bewusst werden. Dabei sagen Fachleute, dass der Erwerb der Schriftsprache viele Ähnlichkeiten mit dem Spracherwerb hat. Würde man Kleinkindern Sprechen so beibringen, wie man sie lange Zeit der Schrift begegnen ließ, sähe das ungefähr so aus: Den Eltern oder Krippenerzieherinnen würde man nahelegen, möglichst wenig mit dem Kleinkind zu reden und seine ersten Lautäußerungen zu ignorieren – damit sich das Kind nicht etwa angewöhnt, Wörter falsch auszusprechen.

Gut, dass sich die Haltung beim Thema Kindergarten und Schrift wandelt. Die Kommunikation mittels Buchstaben haben ganz normale Menschen wie jede andere Kulturform entwickelt, und schon deshalb ist es erlaubt und möglich, dass jedes Kind versuchen kann, sich diese Welt selbst zu erschließen. Die wichtigsten Voraussetzungen dafür bringen Kinder mit: Das wache Interesse für alle Dinge, die sie in ihrem Alltag umgeben – und da gehört Schrift überall dazu. Viele Kinder brauchen erstaunlich wenig Unterstützung von uns Großen, um ins Erforschen der Schrift zu kommen: Stellt man ihnen aus der Vielfalt der Zugänge zum Thema Schrift einige besonders spannende in Form von Spielangeboten bereit, sind sie mit Feuereifer dabei. Genau das ist das Anliegen dieses Buches mit Freispiel-Ideen zum Thema Schreibwerkstatt: Sie finden Ideen für die Auswahl und Zusammenstellung von Material, das Kinder zum Untersuchen von Schrift, Kommunikation und den Möglichkeiten des Erzählens anregt.

Zu Recht mögen manche befürchten, dass aus dem ehemaligen Tabu „Schrift im Kindergarten“ in heutigen Zeiten des Förder-Wahns eine Pflicht zum Früh-Schriftspracherwerb werden könnte, bei der Kinder sich mit Buchstaben beschäftigen müssen, statt spielen zu dürfen. Das aber ist weder Ziel der hier vorgestellten Freispiel-Impulse, noch würde es wohl funktionieren: Pflicht-Angebote haben schon so manche Begeisterung für ein neues Lernthema vernichtet. Meine Erfahrung beim Austesten der hier vorgestellten Freispiel-Angebote dagegen ist: Alle wollen mitmachen, weil keiner muss.

Einige der hier vorgestellten Material-Sets sind so konzipiert, dass beim Spiel wenig Schmutz und Schmiererei entsteht. Ganz ausschließen lässt sich der nervige Nebeneffekt von Kreativangeboten nicht. Aber zum sinnlichen Erleben sind die Hände wichtig, und das Verschütten von Farbe erzählt viel über Fließeigenschaften … Das spricht nicht gegen eine selbstständige Nutzung durch die Kinder, sondern für das Vermitteln eines guten Umgangs mit dem jeweiligen Material: „Ihr wisst, welche Regeln wir für das Arbeiten mit flüssiger Farbe haben?“

Bei den Kreativangeboten in diesem Buch steht zuallererst das sinnliche Erleben des Materials im Vordergrund: Es ist interessant und erholsam, die Finger in kratzig-klebrige Sandfarbe zu versenken oder ganz sensibel Tupfer mit merkwürdigen Malgeräten zu hinterlassen. Ist das aber überhaupt Spiel, wenn dann Bilder gemalt und Figuren geknetet werden? Klare Antwort: Spiel ist alles, was die Kinder in eigener Regie tun. Das Besondere beim Mal-Spiel, um das es hier geht, liegt in den Eigenschaften der Spielmaterialien, die mal glibberig und klebrig, oft feucht, meist knallbunt sind und hochinteressante Spuren hinterlassen. Darf man damit frei hantieren, hinterlässt auch das Spuren: Nervige an den Wänden, aber unglaublich wertvolle Spuren im Erfahrungsschatz der Kinder.

Denn beim kreativen Spielen geht es auch um knallhartes Lernen: Die Kinder entwickeln nicht nur handwerkliche Fähigkeiten, sondern sie gewinnen viele kognitive Einsichten. In Bildung steckt nicht umsonst das Wort Bild drin. Kinder müssen sich „ein Bild machen“, um abstrakte Dinge zu verstehen oder Eindrücke zu ordnen. Ein Rätsel, das man erst mal knacken muss, sind viele künstlerische Techniken – etwa wenn sich beim Drucken oder der Frottage ein Bild vervielfacht, wenn sich beim Malen einzelne Farben zu einer neuen mischen, wenn bestimmte Dinge ganz charakteristische Spuren hinterlassen. Kunst machen ist kreativ – und bietet zudem unzählige Aha-Effekte.

Momente für Schrift

Will man Kindern helfen, sich die Welt der Schrift zu erobern, ist es hilfreich, Alltagsmomente zu erkennen, in denen Schrift eine Rolle spielt, um sie vielleicht durch Material und Inspiration anzureichern. Große Schrift-Momente sind:

Wenn Kinder Bücher lesen und Geschichten erzählen

Jede Leseecke fördert den Schriftspracherwerb: Weil Kinder spüren, wie gut Bücher ihnen tun und sie erahnen, welchen Anteil die Schrift dabei hat. Um die Buch-Begeisterung zu fördern, braucht es uns als begeisterte Vorleser*innen, als Gesprächspartner über Buch und Autor*in, als Inspiration für eigene Buch-Projekte: Wollen wir aus den Geschichten, die wir uns erzählen, auch ein Buch machen?

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Wenn Kinder Bilder malen und darüber sprechen

In der Malecke erproben sich Kinder zum ersten Mal darin, Gedanken auf Papier zu bringen, die von anderen betrachtet, kommentiert, vielleicht beantwortet werden. Schreiben ist genau wie Zeichnen ein Mittel, um Gedanken festzuhalten und kommunizierbar zu machen. Von Kindern Gemaltes und Gezeichnetes braucht Interesse: „Zeig mal, erzähl mal, was du gemalt hast!“ Notiert man die Bilder-Geschichten auf der Rückseite des Bildes, ist der erste Schritt vom Zeichnen zu Schrift schon gegangen.

Wenn Kinder im Rollenspiel Schrift einbauen

Wie wäre es mit einem Material-Check im Rollenspiel-Bereich? Liegen ganz selbstverständlich neben der Polizeiuniform auch Block und Stift, um die Festnahme zu protokollieren? Gibt es zum Prinzessinnenoutfit auch eine feierlich gestaltete Schriftrolle für die Krönung? Wenn ja, dann bauen Kinder fast automatisch Lesen und Schreiben in ihre Spiele ein. Schließlich imitieren sie im Rollenspiel erwachsene Rollenvorbilder – und bei denen gehört Schrift überall dazu.

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Wenn Kinder Symbole untersuchen

Symbole sind bedeutungsvoll für den Schriftspracherwerb, weil sie zwischen mündlicher Rede, Bild und Schrift stehen: Sie „sagen“ etwas, ohne es genau zu zeigen wie ein Foto, sind aber bedeutend leichter zu erraten. Wenn Kinder sich bei der Schnitzeljagd anhand von gelegten Pfeilen orientieren, dechiffrieren sie Symbole im Spiel. Aber auch Tagesphasen, Speisen auf dem Essensplan können mithilfe von Symbolen dargestellt werden: „Wisst ihr, was das bedeutet?“

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Wenn Kinder Erwachsene beim Schreiben beobachten

Jede unserer Textnachrichten, schnell in der Kita verschickt, weckt die Neugier der Kinder und bringt sie dazu, über Sinn und Wirkung von Schrift nachzudenken: „Wem schreibst du?“ So erfahren Kinder, warum Schriftsprache für die zwischenmenschliche Kommunikation wichtig ist. Dass Schrift noch viele andere Funktionen haben kann, erleben sie, wenn Erwachsene Merkzettel, Nachrichten oder Poster beschreiben. Und so oft wie möglich verbalisieren, weshalb sie das tun: „So, ich schreib mir das kurz auf, damit ich es nicht vergesse …“

Wenn Kinder verstehen, wem was gehört

Jedes Spielzeug mit Namen zu versehen, wäre eine zwiespältige Maßnahme im Kindergarten. Hilfreich aber ist: Beim Gespräch über konträre Bedürfnisse, beim Aushandeln von Regeln des Miteinanders immer an das schriftliche Festhalten denken: „Ich schreib das für alle auf, ich mach ein Symbol daneben, dann wissen wir, was wir vereinbart haben“. So wird klar: Schrift hilft, um große Fragen zu regeln.

Ausgeschnibbelt und neu arrangiert: Buchstabensalat aus Beschriftungs-Wörtern

Material: ausgeschnittene Aufschriften von Tetrapaks oder Pappkartons u. a. halbfesten Material, Schere (VB), Einwegteller aus Papier oder Reisstroh, Kleber

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Die Idee

Schriften begegnen den Kindern überall – vor allem aber auf Verpackungen! Weil die Aufschriften oft formschön, bunt und noch dazu auf stabilem Material aufgedruckt sind, lohnt es, diesen Schatz zu bergen und weiter zu verarbeiten – etwa zu einem lehrreichen Buchstaben-Mahl. Lassen Sie die Kinder aus Schnibbelbuchstaben Buchstabensalat herstellen!

Vorher …

… Beschriftungen auf Pappkartons und Tetrapaks, vor allem in Großbuchstaben, suchen. Wörter ausschneiden, einige in Einzelbuchstaben, andere in Silben oder Zweier- bzw. Dreierkombinationen zerschneiden. Gerade bei mehrfach vorhandenen Wörtern bietet sich das an: Ein „APFELSAFT“-Schriftzug wird zu „AP“, „FE“ „L“ und „SAFT“ zerlegt, der nächste zu „A“, „PF“, „ELSA“, „F“ und „T“ etc. Achten Sie darauf, dass alle Buchstaben des ABCs mehrfach vertreten sind. Bieten Sie die Schnibbelbuchstaben in einem schönen Gefäß an – es muss Lust machen, darin wie in einer Schatzkiste zu wühlen.

Eckige oder runde Pappteller sind ein guter Untergrund, um die Buchstaben aufzukleben und gleichzeitig durch den Bezug zum Thema Essen Rollenspiele zu inspirieren. Klebstoff steht bereit, um die Buchstaben bei Bedarf fixieren zu können.

Los geht’s

Lassen Sie die Kinder in der Kiste mit all den formschönen, bunten Schnibbelbuchstaben wühlen, um „Zutaten“ für Buchstabenspeisen, aber auch feierlich gerahmte Namenszüge zu suchen. Lesen Sie ab und zu Buchstabenkombinationen vor, um das Interesse der Kinder für die Bedeutung der Wortteile zu wecken: „Guck mal, bei dir steht APF, APF!“

Großer Lernmoment

Wenn Kinder erahnen oder verstehen, dass aus Wortteilern wieder Wörter werden: „Ich hab ELSA, gelegt, aus E und L und S-A. Und jetzt kleb ich „APFEL“ dazu, dann heiße ich ELSA APFEL!“

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Abgerollt und vollgezeichnet: Kassenrollengeschichten

Material: weiße Kassenrolle aus normalem Papier, hellblaue Kassenrolle aus Öko-Thermopapier, Vogelfedern, Cutter (VB), weiche Holzstöcke, Tusche, evtl. lange Schraube, leere Stifte, dünne Papprolle oder dicker Strohhalm, Klebeband

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Die Idee

Ein merkwürdiges Stück Papier ist so eine Kassenrolle: nur 6 cm breit, aber bis zu 2200 cm lang, also 22 Meter! Das ist wunderbar viel Länge für lange Schriftstücke oder (fast) endlos weiterlaufende Bildergeschichten. Und modernes Öko-Thermopapier wartet zusätzlich mit einer einzigartigen Eigenschaft auf: Man kann darauf ohne Stift zeichnen.

Vorher …

… präparieren Sie die Kassenrollen, um sie beim Abrollen etwas handlicher zu machen: Dafür etwas Papier abrollen und an dieses Ende eine dünne Papprolle, einen weichen Stab oder einen dicken Strohhalm kleben. Durch die vorhandene Rolle ebenfalls einen Stab oder Strohhalm stecken. Jetzt kann man die Rolle beim Lesen und Beschreiben wie eine mittelalterliche Schriftrolle oder eine Tora-Rolle von einem Stab zum anderen drehen. Das ist praktisch und stellt einen hohen Anreiz für die Kinder dar!

Tusche oder dünne, kräftige Farbe in einem kippsicheren Gefäß bereitstellen (notfalls mit Doppelklebeband am Untergrund festkleben!). Mit einem Cutter Vogelfedern anspitzen, indem Sie diese schräg abschneiden. Jetzt lassen sie sich gut in die Tusche eintunken, um damit nach alter Art zu schreiben. Angespitzte, möglichst weiche Hölzchen eignen sich ebenso gut.

Das blaue-Öko-Thermopapier bietet sich für alle an, die Angst vor dem Umkippen der Tusche haben – und für Fans von Zauber-Effekten: Auf dem Papier kann man nämlich auch mit Feder ohne Tusche wunderbare Schwünge hinterlassen, denn das Papier reagiert auf Kratzen aller Art mit deutlichen schwarzen Linien. Selbst Fingerabdrücke kann man mit kräftigem Fingerdruck hinterlassen. Besonders schön sieht es aus, wenn man konturierte Gegenstände unter das Rollenpapier legt und sie von oben mit dem Fingernagel durchreibt. Für Schrift-Interessierte bieten sich hier Schablonen genauso wie Holzbuchstaben an.

Los geht´s

Laden Sie die Kinder ein, mit der Feder auf der weißen Rolle Bilderserien zu malen oder Buchstaben zu schreiben, die sie dann bedeutungsvoll vortragen können! Führen Sie vor, wie man auch ohne Tusche auf der blauen Öko-Kassenrolle zeichnen kann – als wäre es ein guter Zaubertrick!

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Großer Lernmoment

Wenn die Kinder ihre Papierstreifen bedeutungsvoll aufrollen, um die darin enthaltene Geschichte zu präsentieren: „Soll ich dir die längste Geschichte der Welt vorlesen?“